Die K-Tagung fand am 1. September 2022 unter dem Motto "Sicher Sauber Smart - Bonus oder Malus für K?" statt. Veranstalter waren SCOR Rückversicherung Deutschland und Meyerthole Siems Kohlruss. Zur Tagung sind mehrere Berichte und Interviews in der Presse veröffentlicht worden. Nachfolgend finden Sie alle Vorträge auf einen Blick.
Grußworte der Gastgeber
Onnen Siems, Geschäftsführer, Meyerthole Siems Kohlruss
Caren Büning, Mitglied der Geschäftsleitung, SCOR Rückversicherung Deutschland
„Corona hat der Versicherungstechnik in K 2020 und 2021 außerordentliche Ergebnisse beschert. Wie geht es jetzt weiter? Zurück zum ‚Business as usual‘?“, fragte Onnen Siems (Meyerthole Siems Kohlruss). „Im Gegenteil – die Herausforderungen sind so groß wie nie!“ Das Wechselgeschäft 2021/22 war so niedrig wie lange nicht, ebenso die Neuzulassungen und Besitzumschreibungen. Doch gleichzeitig verbuchen E-Fahrzeuge Rekordzulassungen und erstmals werden auch teilautonome PKW der Stufe 3 zugelassen. Als Reaktion auf die Inflation stehen voraussichtlich Beitragsanpassungen an – in Summe – von ca. 10 % für 2023, wenn das halbwegs ausgeglichene versicherungstechnische Ergebnis aus 2022 gehalten werden soll. „Ob die Kunden da mitgehen oder nicht – in unseren unsicheren Zeiten ist eine Prognose schwerer denn je“, resümierte Siems. – „Die Automobilbranche befindet sich in einem fundamentalen Wandel“, hielt Caren Büning (SCOR Rückversicherung Deutschland) fest. „Dies wird einerseits durch die gesellschaftlichen Megatrends Neo-Ökologie, Urbanisierung, Konnektivität und Individualisierung initiiert, andererseits durch gesetzliche Vorgaben der Politik zur Erreichung der Klimaschutzziele forciert“. Zugleich geschehen viele technische Umwälzungen. Der Antriebsstrang von Automobilen ändert sich, hin zur Elektrifizierung – außerdem werden autonome Fahrfunktionen eingeführt. Hinzu kommt, dass ein neues Mobilitätsverständnis entsteht: Mobilität wird zur Dienstleistung – und das Auto anwenderseitig zunehmend zum Dienstleistungsobjekt. "Zukünftige Mobilität muss einen bedeutsamen Beitrag zum Erreichen der Klima- und Umweltziele leisten“, betonte Büning. Der Schlüssel liegt aus ihrer Sicht in der konsequenten Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft.
Nachhaltige Mobilität: Grün, Grüner, Greenwashing?
Dr. Alexander Nick, Director Climate Action, World Business Council for Sustainable Development, Mitglied Deutsche Gesellschaft Club of Rome
Um die Erderwärmung auf 1,5 Grad C im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, ist der Ausstoß von Treibhausgasemissionen weltweit bis 2030 zu halbieren, führte Dr. Alexander Nick (World Business Council for Sustainable Development) aus. Der jüngste IPCC Bericht zeigt auf, dass dies grundsätzlich noch möglich wäre, aber mit einer radikalen Transformation unserer Wirtschaft und unseres Konsumverhaltens verbunden ist. Der Verkehrssektor spielt mit 16% weltweit und 19% in Deutschland eine wesentliche Rolle bei der Dekarbonisierung. Die größten Reduktionspotenziale liegen dabei in weiterer Effizienzsteigerung und in der Elektrifizierung von PKWs und Nutzfahrzeugen.
Unternehmen integrieren zunehmend Klima- und weitere Nachhaltigkeitsziele in ihre Strategie. Beispielsweise haben sich die Automobilhersteller CO2-Reduktionsziele für ihre Produktion, Nutzungsphase und ihre Lieferkette gesetzt. Erneuerbare Energien und Energieeffizienz werden zunehmend in der Produktion eingesetzt. Die Elektrifizierung gewinnt an Fahrt und Lieferanten werden nach Nachhaltigkeitskriterien ausgewählt. Circular Economy wird als Geschäftschancen erkannt. Dabei wird auch stärker auf die Herkunft von Materialien geachtet und Prozesse zur Einhaltung von Menschenrechten etabliert. Im Bereich urbaner Mobilität positionieren sich die Hersteller als Teil der Lösung und zeigen in Pilotprojekten, wie Städte lebenswerter werden können.
Zugleich nimmt die Kritik zu: Die Klimaziele werden kritisch hinterfragt, der Vorstoß zur Elektromobilität für zu zögerlich wahrgenommen, die Aktivitäten in Städten teils als Feigenblatt wahrgenommen. Grün, grüner, Greenwashing? Nach welchen Kriterien kann festgestellt werden, wie progressiv Unternehmen sind und ob sie ihren Beitrag leisten? Anhaltspunkte beinhalten die Validierung von Klimazielen nach der international anerkannten Science Based Targets Initiative, die Integration und Auditierung von Nachhaltigkeitsdaten im Geschäftsbericht, das Einrichten kritischer Beiräte und die Zusammenarbeit mit Städten auf Basis transparent definierter Ziele. Wesentlicher Indikator im Bereich Klimaschutz sind die Emissionen über den Lebenszyklus. So verfolgen beispielsweise Unternehmen im World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) das Ziel, Transparenz über den Klimafussabdruck von Materialien entlang Wertschöpfungsketten zu erlangen. Die Ökobilanzen zeigen auch klar auch, dass Elekromobilität die umweltfreundlichste Antriebstechnik darstellt. Neben der Reduktion von Treibhausgasen haben Unternehmen auch mit Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel begonnen. Dieses Thema wird mit zunehmender Sichtbarkeit der Folgen des Klimawandels in den kommenden Jahren wesentlich an Bedeutung gewinnen.
Für die Versicherungsindustrie stellen sich aus diesen Entwicklungen verschiedene Fragen, u.a.
Was sind die Auswirkungen der Elektromobilität, wie verändert sich das Fahrverhalten und dadurch veränderte Schadensfälle. Wie werden sich die Wiederverkaufswerte entwickeln?
Welche neuen Geschäftsmodelle entwickeln sich durch verschärfte Regulation zu Klima und Materialien? Bieten Modelle wie Peer-to-Peer Carsharing attraktive Versicherungsgeschäfte?
Wie sehen Versicherungsmodelle für Fahrzeuge aus, die komplett auf Zirkularität ausgerichtet sind, d.h. im Eigentum der Hersteller bleiben und am Lebenszyklusende vollkommen rezykliert werden?
Welche Anreize können Versicherer für nachhaltige Produkte und Dienstleistungen setzen?
Was für Arbeitsgewohnheiten prägen sich in der Post-Pandemie Zeit aus und wie können sich Versicherer darauf einstellen?
The Next Big Thing - Neodigital Autoversicherung AG
Stephen Voss, Mitglied des Vorstands, Neodigital Versicherung AG
Vom Startup zum Partner des „Branchen-Primus“ – Ende 2021 konnte Neodigital mit der HUK-COBURG Gruppe einen der erfolgreichsten Kfz-Versicherer am Markt als weiteren Investor gewinnen, wie Stephen Voss (Neodigital Versicherung AG) erläuterte. Ziel war, das gemeinsame Unternehmen Neodigital Autoversicherung AG aufzubauen. Das Know-How der HUK-COBURG Gruppe in Kfz und die „state-of-art“ IT-Plattform von Neodigital Versicherung AG ergeben das erfolgversprechende Fundament des Joint Venture Neodigital Autoversicherung AG. Beide Unternehmen wollen getreu dem Ansatz „das Beste aus zwei Welten“ mit dem gemeinsamen Unternehmen eine nachhaltige und auf Erfolg ausgerichtete Symbiose erreichen und in den deutschen Versicherungsmarkt eine Signalwirkung senden.
(Un)gefährliche Transformation von Fahrzeugen - K-Trends und deren Schadenpotentiale
Florian David-Spickermann, Europe Business Analyst, SCOR Rückversicherung Deutschland
Die K-Sparte ist gleichzeitig mehreren Trends unterworfen, welche teilweise bereits spürbare Auswirkungen haben, sagte Florian David-Spickermann (SCOR Rückversicherung Deutschland). Aufgrund der (Teil-) Transformation von Fahrzeugen entwickeln sich neue Schadenszenarien, da in der Entwicklung, Produktion und Nutzung neue Parteien beteiligt sind. Fragwürdig ist, wie lange der traditioneller Risikobewertungsansatz in K noch vertretbar ist. Spätestens bei der vollständigen Transformation der Fahrzeuge sollte über einen alternativen Ansatz nachgedacht werden, um risikoadäquat zu bleiben.
Aktuelle Themen der Versicherungsaufsicht
Dr. Frank Grund, Executive Director Versicherungsaufsicht, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
Themen, die die Branche betreffen, sind für die Aufsicht von hohem Interesse. Die Corona Pandemie sowie der Krieg in der Ukraine haben spürbare Auswirkungen auf die Schaden-Unfallversicherung, führte Dr. Frank Grund (BaFin) aus. Mit Blick auf den Ukraine-Krieg sagte Dr. Grund: „Zwar sind die unmittelbaren Auswirkungen auf den Versicherungsbereich - Stand heute - verkraftbar. Durch den Krieg und die damit ausgelöste Energiekrise hat jedoch die Inflation einen massiven Schub erfahren, was natürlich nicht ohne Folgen für die Autoversicherung bleiben kann“.
Eine treibende Kraft ist derzeit die anhaltend hohe Inflation, die die Auskömmlichkeit der Reserven gefährdet und zu deutlichen Prämiensteigerungen führen wird. Ein weiterer Trend ist der digitale Wandel und die vermehrte Nutzung von Daten, die Veränderungen in den Produkten und Wertschöpfungsketten ermöglicht.
Cybersicherheit der Automobilbranche im Zuge der industriellen Revolution 4.0
Philip Saladin, Head of Sales Switzerland, Deutsche Gesellschaft für Cybersicherheit.
Schon heute sind Autohersteller keine bloßen Produzenten von Hardware mehr, sondern Anbieter von komplexen Mobilitätslösungen geworden. Mit dem technischen Fortschritt steigen auch die Gefahren. „Die Frage ist nicht ob, sondern wann das Auto der Zukunft das Ziel von Cyberkriminalität wird“, sagte Philip Saladin (Deutsche Gesellschaft für Cybersicherheit). Dabei liegt der Schaden, der durch Cyberangriffe weltweit entsteht, schon heute bei über 6 Billionen US-Dollar pro Jahr, wobei ein Ransomware-Angriff zu einem durchschnittlichen Schaden von 2,6 Mio. US-Dollar führt. „Die Anforderungen werden weiter zunehmen“, betonte Saladin. Entscheidend sei zielgerichtetes Handeln und das Implementieren präventiver Maßnahmen. „Die Risiken von Cyberattacken können durch entsprechende Tools und Maßnahmen deutlich verringert werden“.
Nachhaltigkeit in der Produktentwicklung
Florian Bohl, Aktuarieller Berater, Meyerthole Siems Kohlruss
Florian Bohl (Meyerthole Siems Kohlruss) berichtete in seinem Vortrag zur Nachhaltigkeit in der Produktentwicklung von verschiedenen Austauschen und Gesprächen mit Experten aus der Branche, insbesondere vom Mitgliederworkshop des „Förderverein VersicherungsMathematik im Bereich der Kraftfahrtversicherung e.V.“, kurz VM4K.
Der Workshop fand im Juni bei der RheinLand Versicherungs AG in Neuss statt und die Teilnehmer diskutierten in verschiedenen Workshops über die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken auf die Produktentwicklung in der KFZ-Versicherung. Die Teilnehmer erwarten durch häufigere und intensivere Extremwetter-Ereignisse einen erhöhten Schadenbedarf in der Kasko-Versicherung und damit einen Anstieg der Kasko-Prämie und einen Bedarf nach günstigeren Produktvarianten, was unter anderem durch Begrenzung des Leistungsumfangs, zeitliche Begrenzung oder Schadenprävention erreicht werden könnte.
Als weitere Folge des Anstieges der Kasko-Prämie und vor allem auch weiterer transitorischer Nachhaltigkeitsrisiken erwarten die Teilnehmer eine weitere Verbreitung der Elektromobilität, weniger Individualverkehr und eine Einführung von Tempolimits. Dies führt zu Anpassungs- und Erweiterungsbedarfe in den KFZ-Versicherungsprodukten und einer Herausforderung bei der Kompensation beim Rückgang der Anzahl privater PKW durch Fokussierung von KFZ mit gewerblicher Nutzung und möglichen neuen Versicherungskonzepten für Carsharing und andere Mobilitätsformen. Die Ideen und Aussagen aus den Workshops haben auch auf der K-Tagung für weiteren Diskussionsstoff gesorgt und es bleibt spannend, die zukünftigen Entwicklungen zu beobachten und zu begleiten.
Nachhaltigkeit in der Kraftfahrt-Schadenregulierung
Jens Lison, Mitglied des Vorstands, Württembergische Versicherung AG
In seinem Vortrag schilderte Jens Lison (Württembergische Versicherung AG) die Nachhaltigkeitspotentiale entlang des Kraftfahrt-Schadenregulierungsprozesses. Mit der Kraftfahrversicherung wird bereits jetzt Nachhaltigkeit und damit ein Umsetzen der ESG-Kriterien unterstützt. Um weitere Potentiale unmittelbar in der Schadenregulierung umzusetzen, muss Nachhaltigkeit ganzheitlich in die Schaden-Wertschöpfungskette integriert werden.
Vom Erfolg überrannt: neue Ansätze beim HDI
Doris Peter, Head of Actuarial Pricing, HDI Versicherung AG und Dr. Gunnar Dolling, Leiter Mathematik/Sach, HDI Versicherung AG
HDI hat im letzten Jahr viele neue Kunden gewonnen, nachdem sie in den letzten Jahren immer Kunden verloren hatten. Im Vortrag von Doris Peter und Dr. Gunnar Dolling (HDI) wurde deutlich, dass die Trendwende durch insbesondere drei Veränderungen erreicht wurde: es wurde mit dem Kunden gearbeitet, um ein neues Produkt und Pricing aufzusetzen, welches auf das Kundenbedürfnis optimiert wurde. Dieses wurde in einem cross-funktionalen Team aus u.a. Aktuaren, Produktmanagern und IT Entwicklern eigenständig umgesetzt. Aktuelle Ergebnisse zeigen, dass die Erwartungen und Prognosen erfüllt wurden.
Die Moderatoren
„Wir bedanken uns bei den mitreißenden Vortragenden und einem engagierten Publikum für eine rundum gelungene Tagung!“, sagten die Moderatoren Kai-Olaf Knocks (SCOR Rückversicherung Deutschland) und Jörg Vogelsang (Meyerthole Siems Kohlruss) zum Abschluss der K-Tagung.
Die Kfz-Versicherung voranbringen
Wir vernetzen Versicherungswirtschaft und Forschung! VM4K bringt Hochschulen und Versicherer zusammen, vermittelt praxisnahe Abschlussarbeiten und Speedpraktika, veranstaltet Workshops, lobt Wettbewerbe und Stipendien aus. Machen Sie mit! www.vm4k.de